Startseite Aktuelles Presseartikel: Interview mit Prof. Zieren „Schilddrüse und Jod“
Um lebenswichtige Hormone zu produzieren, braucht die Schilddrüse Jod. In welchen Lebensmitteln steckt Jod und welche Folgen kann ein Mangel haben?
Grundsätzlich gilt Deutschland als Jodmangelgebiet. Das heißt: In den Böden – und damit auch in vielen hier erzeugten pflanzlichen und tierischen Lebensmitteln – steckt zu wenig des wichtigen Spurenelements Jod. Um lebenswichtige Hormone zu produzieren, braucht die Schilddrüse jedoch Jod. Da der menschliche Körper es nicht selbst herstellen und nur begrenzt speichern kann, muss das Spurenelement mit der Nahrung aufgenommen werden – in einer ausreichenden Menge. Und das kann in Deutschland schwierig werden.
Warum braucht der Körper Jod?
Jod ist der zentrale Baustein, damit die Schilddrüse die Hormone Thyroxin (T4) und Triiodthyronin (T3) produzieren kann. Diese Schilddrüsenhormone beeinflussen die Funktionen des gesamten Körpers: Sie steuern zum Beispiel die Herzaktivität und den Blutdruck mit, spielen eine entscheidende Rolle bei Stoffwechsel und Körpergewicht, dazu wirken sie auf Cholesterinwerte, Psyche und Gehirnaktivität.
Wie viel Jod sollte man täglich zu sich nehmen?
Laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung sollten gesunde Erwachsene 150 Mikrogramm (µg) Jod pro Tag zu sich nehmen, ab 51 Jahren werden 180 µg empfohlen. Bis vor kurzem lag die Empfehlung noch höher: 200 µg für Erwachsene bis 50 Jahre, 180 µg für Ältere. „Die Anpassung der Referenzwerte bedeutet nicht, dass wir weniger Jod benötigen“, erklärt Linda Haschmann, Oekotrophologin und Diätassistentin der Klinischen Diätetik an der Uniklinik Münster. „Da wir in einem Jodmangelgebiet leben, hat man früher einfach einen Zuschlag dazu gerechnet – das ist aber kein wissenschaftliches Vorgehen, deshalb nimmt man jetzt den tatsächlichen Bedarf als Referenzwert.“ Bei Säuglingen bis vier Monate wurde dieser Wert übrigens gerade verdoppelt. Vor allem in der Schwangerschaft und frühen Kindheit ist Jod entscheidend an der Gehirnentwicklung beteiligt.
In welchen Lebensmitteln ist Jod enthalten?
Da der Körper selbst kein Jod produzieren kann, muss es über die Nahrung aufgenommen werden. Säuglinge tun dies standardmäßig durch mit Jod angereicherte Anfangsnahrung oder die Muttermilch – vorausgesetzt, die Mütter sind selbst ausreichend mit Jod versorgt. Kinder und Erwachsene können ihren Jodbedarf zum Beispiel über Nahrung aus dem Meer decken, also über Fisch, Meeresfrüchte oder Algen. Die DGE empfiehlt ein bis zwei Portionen Fisch pro Woche, allerdings nur 70 g fettreichen Seefisch wie Lachs, Makrele oder Hering – um dem ökologischen Problem der Überfischung zu begegnen.
Zusätzlich helfen jodiertes Speisesalz und der Verzehr von Milch, Milchprodukten und Eiern, da Kühe und Hühner häufig mit jodiertem Futter gefüttert werden, um einem Mangel vorzubeugen.
„Die meisten pflanzlichen Lebensmittel sind eher jodarm. Daher sollten Menschen, die sich vegan ernähren, konsequent Jodsalz verwenden und regelmäßig Algen in ihren Speiseplan aufnehmen“, sagt Ernährungstherapeutin Haschmann. Bei den Algen allerdings darauf achten, dass der Jodgehalt ausgewiesen und nicht zu hoch ist. Die DGE empfiehlt Erwachsenen, nicht mehr als 500 Mikrogramm Jod am Tag aufzunehmen.
Wie gut sind die Deutschen im Schnitt mit Jod versorgt?
Laut dem Jodmonitoring des Robert Koch-Instituts haben derzeit etwa 32 Prozent der Erwachsenen in Deutschland ein erhöhtes Risiko für eine unzureichende Jodversorgung. Bei Kindern und Jugendlichen ist die Lage noch schlimmer: 44 Prozent von ihnen nehmen zu wenig Jod auf. „Meist merkt man lange Zeit nicht, dass man einen Jodmangel hat“, erklärt Prof. Hans Udo Zieren, Chefarzt für Schilddrüsenchirurgie im Sana Krankenhaus Hürth. „Eine Jodmangelernährung zeigt sich meist erst im Langzeitverlauf. In der Regel ist das ein schleichender Prozess.“ Schilddrüsenhormone wirken wie das Gaspedal unseres Körpers. Bei zu wenig Hormonen laufen Körper und Seele untertourig.
Kann man auch zu viel Jod aufnehmen?
Eine zu hohe Jodaufnahme ist mit einer normalen Ernährung kaum zu erreichen. Durch die Einnahme von zu viel Jodtabletten, bestimmten Medikamenten oder durch das Spritzen von Kontrastmitteln bei Röntgenuntersuchungen könnte es aber durchaus zu einer Jodüberversorgung kommen. „Das kann problematisch werden, wenn beispielsweise eine unentdeckte Schilddrüsenüberfunktion durch die Autoimmunerkrankung Morbus Basedow oder eine Schilddrüsenautonomie vorliegt“, erklärt Experte Zieren. Bei einer Schilddrüsenautonomie produziert die Schilddrüse von selbst zu viele Hormone, ohne dass das Gehirn sie dazu anregt oder steuert. „Das hochdosierte Jod ist dann sozusagen das Öl, das man ins Feuer gießt. Unter Umständen kann das sogar eine akute und bedrohliche Schilddrüsenüberfunktion auslösen“, so der Experte. Das ist der Grund, warum man vor solchen Untersuchungen mit Jod als Kontrastmittel die Schilddrüsenwerte im Blut bestimmen lassen muss. Auch beim Verzehr von Algen sollte man aufpassen, da diese sehr hohe Mengen an Jod enthalten können, was bei manchen Packungen nicht richtig ausgewiesen sein kann.
Wie sollte man sich mit einer Schilddrüsenüberfunktion ernähren?
„Bei einer Schilddrüsenüberfunktion empfehlen wir eine gesunde, pflanzenbetonte Ernährung“, sagt Linda Haschmann. Wichtig ist vor allem, ohne vorherige ärztliche Rücksprache keine jodhaltigen Medikamente oder Nahrungsergänzungsmittel einzunehmen. Vorsicht außerdem bei Untersuchungen mit bildgebenden Verfahren, bei denen jodhaltige Kontrastmittel eingesetzt werden sollen. „Liegt eine Überfunktion vor, kann die Schilddrüse vorab medikamentös geblockt werden, sodass diese Untersuchungen gefahrlos durchgeführt werden können“, erklärt Hans Udo Zieren. Weisen Sie Ärztinnen und Ärzte vor solchen Untersuchungen daher auf ihre Schilddrüsenüberfunktion hin.
Wie viel Jod darf man bei Hashimoto-Thyreoiditis zu sich nehmen?
Auch bei der Hashimoto-Thyreoiditis, einer chronischen Entzündung der Schilddrüse, spielt Jod eine besondere Rolle. „Es gibt Hinweise, dass man mit einer dauerhaft sehr hohen Jodaufnahme das Risiko erhöht, an Hashimoto zu erkranken“, sagt Zieren. „Man geht zudem davon aus, dass sich eine sehr hohe Aufnahme auch negativ auf den weiteren Krankheitsverlauf auswirken könnte.“ Dennoch wird Betroffenen weder ein Jodverzicht noch eine jodarme Ernährung empfohlen. Die DGE erklärt, dass auch bei Patientinnen und Patienten mit Schilddrüsenerkrankungen (zum Beispiel Morbus Basedow, Hashimoto-Thyreoiditis, Hypothyreose) eine zugeführte Jodmenge von maximal 500 μg pro Tag als unbedenklich gilt. „Weder ein Jodverzicht noch eine jodarme Ernährung werden empfohlen. Auch auf jodiertes Speisesalz sollte nicht verzichtet werden“, so die DGE. Denn trotz der Entzündung braucht die Schilddrüse Jod für die Produktion der Schilddrüsenhormone. Hier gilt also: Achten Sie darauf, nicht im Übermaß Jod zu sich zu nehmen, ein Verzicht ist aber nicht nötig. Sie sollten jedoch beim Verzehr von Algen vorsichtig sein und besser darauf verzichten.
Wie ernährt man sich mit Schilddrüsenunterfunktion?
„Auch bei einer Schilddrüsenunterfunktion sollte man sich an die Referenzwerte halten“, rät die Ernährungstherapeutin Haschmann. Neben der Verwendung von jodiertem Speisesalz sollten Betroffene also regelmäßig Seefisch, Muscheln oder andere Meeresfrüchte essen.
Vor allem aber sei es wichtig, die Ursache der Unterfunktion abzuklären, sagt Experte Zieren. Auch die Bestimmung des Schweregrades sei entscheidend. „Das reicht von der leichten Unterfunktion, bei der die Schilddrüse noch Hormone produziert, bis zur Unterfunktion, bei der die Schilddrüse überhaupt nichts mehr herstellt.“ Daher sei keine pauschale Empfehlung möglich, sondern immer eine Rücksprache mit dem Arzt oder der Ärztin notwendig.
Quelle: Kerstin Kropac, Apotheken Umschau, 14.10.2025
Mit Hilfe der Arzt- und Kliniksuche finden Sie Ihren Facharzt.