Pioniere der Schilddrüsenmedizin

Carl von Basedow (1799 – 1854): Auto-Immunthyreopathie Typ Basedow

Dr. Carl von Basedow war Arzt und praktizierte in Merseburg im heutigen Sachsen-Anhalt. Im Jahr 1840 veröffentlichte er in einer deutschen medizinischen Fachzeitschrift einen Artikel, in dem er ein ungewöhnliches Krankheitsbild beschrieb, das durch die Symptome Tachykardie (schneller Puls), Struma (Schilddrüsenvergrößerung) und Exophthalmus (Glupschaugen) gekennzeichnet war. Wie sich erst viele Jahre später herausstellte, war das die Erstbeschreibung der typischen Folgen einer Autoimmunerkrankung der Schilddrüse, die durch körpereigene Antikörper gegen Schilddrüsenbestandteile ausgelöst wird. Zu Ehren des Erstbeschreibers wird diese Erkrankung im deutschsprachigen Raum als Basedowsche Erkrankung bzw. als Morbus Basedow bezeichnet, die charakteristischen Symptome nach Basedows Wohnort auch als „Merseburger Trias“. Im englischsprachigen Raum wird die Erkrankung nach dem dortigen Erstbeschreiber Graves` disease benannt.

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Emil Theodor Kocher (1841 – 1917): Schilddrüsenchirurgie

Der Schweizer Chirurg und langjährige Chefarzt der Berner Universitätsklinik gilt als der eigentliche Begründer der modernen Schilddrüsenchirurgie. Vor seiner Zeit gab es zwar immer mal vereinzelte Mitteilungen über gelungene Schilddrüsenoperationen am Menschen, doch erst Prof. Kocher glückte eine größere Anzahl an erfolgreichen Schilddrüsenoperationen, wobei die vormals sehr hohe Operationssterblichkeit von über 10 % auf unter 1 % gesenkt werden konnte. Voraussetzungen waren seine Studien zur Anatomie, zur Blutstillung, zur Hygiene und zur Operationstechnik. So gehen auch die heute noch gebräuchliche Schnittführung für eine Schilddrüsenoperation (Kocher’scher Kragenschnitt) sowie die immer noch verwendeten speziellen OP-Klemmen zum Fassen der Schilddrüse (Kocher-Klemmen) auf Kocher zurück.

Für seine Forschung und in Würdigung seiner Verdienste um die Schilddrüsenchirurgie erhielt Theodor Kocher als erster und einziger Chirurg im Jahre 1909 den Nobelpreis für Medizin. Damals strebte man zur dauerhaften Heilung der großen Kropfgeschwulst nach Möglichkeit eine weitgehende oder komplette Entfernung der Schilddrüse an. Man wusste allerdings noch nicht, dass in der Schilddrüse das lebenswichtige Schilddrüsenhormon produziert wird. Kocher fiel bei Nachuntersuchungen seiner Patienten auf, dass es nach der kompletten Entfernung einer Kropfgeschwulst zwar zur gewünschten Besserung der lokalen Probleme am Hals kam, aber durch die Folgen der damals noch nicht bekannten Schilddrüsenunterfunktion auch zu schweren Krankheitsbildern, die von ihm den Namen „kachexia strumapriva“ erhielten und die durch Antriebsmangel, geistige Retardierung und allgemeinen körperlich-seelischen Verfall gekennzeichnet waren. Kocher schloss daraus, dass die Schilddrüse offensichtlich auch noch eine andere Funktion und einen bislang noch nicht bekannten Einfluss auf verschiedene körperliche und seelische Funktionen haben musste, was wiederum der Startschuss für eine weitere Forschungsaktivität zur Aufklärung hormoneller Regelkreise war. Es dauerte dann auch nicht mehr lange, bis der Amerikaner Edward Kendall um 1914 erstmals in der Schilddrüse das Schilddrüsenhormon Thyroxin entdeckte.

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Georg Friedrich Henning (1863 – 1945): Herstellung von Thyroxin-Tabletten

Der Deutsche Georg Friedrich Henning studierte Pharmazie und machte sich 1892 mit einem eigenen Labor und später auch mit einer pharmazeutischen Firma in Berlin selbstständig. Nach den Vorarbeiten von Harington in den USA, der die chemische Struktur des Thyroxins und seine synthetische Herstellung entdeckte, brachte Henning schon im Jahr 1926 unter dem Namen „Thyroxin Henning“ das erste synthetische Schilddrüsenpräparat zur Behandlung der Schilddrüsenunterfunktion auf den Markt. Eine breite Anwendung fand das Medikament aber erst nach dem 2. Weltkrieg, als immer mehr taugliche Untersuchungsverfahren (z. B. Bluttests, Szintigrafie, Sonografie) zur Abklärung der verschiedenen Schilddrüsenerkrankungen zur Verfügung standen. Seit Jahren gehört Thyroxin-Henning in Deutschland zu den am meisten verordneten Medikamenten. Seit 1996 ist die Fa. Henning Berlin GmbH Teil des Sanofi-Konzerns.

Hakaru Hashimoto (1881 – 1934): Auto-Immunthyreoiditis Typ Hashimoto

Dr. Hakaru Hashimoto war ein japanischer Arzt und Chirurg. Anlässlich eines Forschungsaufenthaltes in Deutschland veröffentlichte er im Jahr 1912 in einer deutschen medizinischen Fachzeitschrift einen Aufsatz, in dem er über ungewöhnliche Beobachtungen bei der mikroskopischen Analyse von Schilddrüsenoperationspräparaten berichtete. Bei einem Teil fand er die merkwürdige Kombination aus einer lymphatischen Durchsetzung des Schilddrüsengewebes, vielen körpereigenen Abwehrzellen und dem gleichzeitigen Verlust von normalen Schilddrüsenstrukturen („Struma lymphomatosa“). Er folgerte daraus, „dass es einen Faktor geben müsse, der die Expansion lymphatischer Zellen stimuliere, dieser aber zum derzeitigen Zeitpunkt noch unbekannt sei“. Es dauerte allerdings noch viele Jahre, bis die Ursache dieser Form der Schilddrüsenentzündung aufgeklärt wurde. Erst Mitte des 20. Jahrhunderts gelang Wissenschaftlern im Blut von Hashimoto-Patienten der Nachweis spezieller Antikörper gegen ein Schilddrüsenenzym (TPO-AK) als Auslöser der Auto-Immunthyreoiditis. Zu Ehren des Erstbeschreibers wird diese spezielle Auto-Immunthyreoiditis weltweit als Hashimoto-Thyreoiditis bezeichnet.

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Edward Calvin Kendall (1886 – 1972): Entdeckung des Thyroxins

Der Amerikaner Edward Kendall gilt als der Entdecker des Schilddrüsenhormons Thyroxin. Edward Kendal studierte in New York Chemie und forschte anschließend an verschiedenen renommierten amerikanischen Universitäten (z. B. Mayo Clinic). Kendall entdeckte zahlreiche Enzyme, Aminosäuren und Hormone. Ihm gelang es als erstem, in den Jahren 1914/15 aus operativ entfernten Schilddrüsenpräparaten eine Substanz zu gewinnen, die bei der Behandlung von Patienten mit einer Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose) eine positive Wirkung auf die Symptome und den Verlauf zeigte. Daraus folgerte er, dass es sich dabei um einen Botenstoff der Schilddrüse handeln müsse und nannte dieses Hormon Thyroxin. Damals konnte Thyroxin nur aus menschlichem oder tierischem Schilddrüsengewebe gewonnen werden. So benötigte man z. B. für die Gewinnung von gerade mal 33 Gramm Schilddrüsenhormon etwa 3 Tonnen Schilddrüsengewebe von Schweinen. 1950 erhielt Kendall, der auch das wichtige Hormon Cortison entdeckte, den Nobelpreis für Medizin.

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Charles Robert Harington (1897 – 1972): Thyroxin-Synthese

Charles Robert Harington war ein britischer Chemiker und Biochemiker. 1924 hatte Edward Calvin Kendall Schilddrüsenhormon aus Schilddrüsengewebe isoliert und seine Wirkeigenschaften beschrieben. Allerdings benötigte man damals für die Herstellung selbst kleinster Mengen von Thyroxin Unmengen von menschlichem oder tierischem Schilddrüsengewebe. Harington gelang die genaue Aufklärung der molekularen Strukturen des Thyroxins und darauf aufbauend auch erstmalig die synthetische Herstellung von Thyroxin im Jahr 1926. Das war die Voraussetzung für eine breitere medizinisch-therapeutische Nutzung der Schilddrüsenhormone. Mittlerweile gehören synthetische Schilddrüsenhormone zu den am meisten verschriebenen Medikamenten überhaupt.

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