Presseartikel: Interview zum Thema Schilddrüse von Prof. Zieren für das AOK-Gesundheitsmagazin Rhein-Main TV

Das Deutsche Schilddrüsenzentrum – ein paar Worte hierzu.

Prof. Zieren: Schilddrüsenerkrankungen werden von Ärzten und Ärztinnen ganz unterschiedlicher Fachrichtungen untersucht und behandelt. Das Deutsche Schilddrüsenzentrum bietet Ärzten und Kliniken, die sich aus verschiedenen Blickwinkeln in besonderer Weise mit der Schilddrüse befassen, eine fachübergreifende Plattform. Wir unterstützen Ärzte und Kliniken beim Aufbau von qualitativ hochwertigen Schilddrüsenzentren und fördern deren Vernetzung. Patienten und Betroffenen bieten wir viele und ausschließlich von Fachärzten verfasste Informationen rund um das Thema Schilddrüse und bieten Hilfen bei der Auswahl geeigneter Ärzte bzw. Kliniken.

Deutsches Schilddruesenzentrum, Aktuelles Interview Prof Zieren AOK

Es gibt ja Ärzte verschiedener Fachrichtungen, die sich mit der Schilddrüse beschäftigen – welche?

Prof. Zieren: Es gibt kaum eine medizinische Fachdisziplin, die nicht involviert sein kann. Primärer Ansprechpartner ist in der Regel der Hausarzt, häufig werden dann auch noch Nuklearmediziner, Endokrinologen sowie Chirurgen oder HNO-Ärzte benötigt.

Wie viele Menschen in Deutschland haben Probleme mit der Schilddrüse? Wer ist häufiger betroffen – Frauen oder Männer?

Prof. Zieren: Grob geschätzt können bei jedem Dritten krankhafte Veränderungen seiner Schilddrüse festgestellt werden. Nicht alle haben einen wirklichen Krankheitswert und müssen behandelt werden. Die Häufigkeit steigt mit zunehmendem Alter, Frauen sind häufiger betroffen als Männer.

Können auch schon Kinder Schilddrüsenerkrankungen haben?

Prof. Zieren: Ja. Manche werden schon ohne Schilddrüse geboren und würden bei unbehandelter Unterfunktion schwere Entwicklungsstörungen erleiden. Auch Kröpfe kommen schon im Kindes- und Jugendalter vor und sehr selten auch schon mal ein Schilddrüsenkrebs.

Welche Funktionen hat die Schilddrüse?

Prof. Zieren: In der Schilddrüse werden Schilddrüsenhormone produziert und in das Blut abgegeben. Die eigentlichen sogenannten Schilddrüsenhormone sind das Thyroxin und das Trijodthyronin. Zusätzlich wird in der Schilddrüse auch das Hormon Calcitonin gebildet. Während das Calcitonin hauptsächlich den Calcium-, Phosphat und Knochenstoffwechsel steuert, wirken Schilddrüsenhormone vereinfacht ausgedrückt wie Energielieferanten für eine Vielzahl von Organen und Körperfunktionen.

Woran erkennt man, dass etwas nicht stimmt? Sehr verbreitet sind Unter-/Überfunktion – wie sind die Symptome hier?

Prof. Zieren: Das kann man sich relativ leicht selbst ableiten, wenn man weiß, dass Schilddrüsenhormone vereinfacht ausgedrückt wie ein Gaspedal auf viele körperliche und seelische Funktionen wirken. Bei einer Überfunktion laufen Körper und Psyche übertourig, bei einer Unterfunktion untertourig. Damit lassen sich die meisten typischen Symptome ableiten: Am Beispiel des Nervensystems sind Patienten mit einer Überfunktion eher hektisch, nervös, zittrig und manchmal sogar aggressiv, Patienten mit einer Unterfunktion sind dagegen müde, schläfrig, antriebsgemindert und nicht selten auch depressiv.

Wie wird therapiert bei Unter-/Überfunktion?

Prof. Zieren: Eine Unterfunktion wird medikamentös ausgeglichen. Therapie der Wahl ist die tägliche Gabe von Schilddrüsenhormonen. Damit kommen die meisten Patienten sehr gut zurecht, manchmal muss man aber auch ein wenig tüfteln. Bei einer Überfunktion wird die zu starke Hormonproduktion zunächst durch spezielle Medikamente gedrosselt. Zur dauerhaften und sogenannten definitiven Behandlung ist es häufig günstiger, das überfunktionierende Schilddrüsengewebe durch Radiojod zu zerstören oder operativ zu entfernen.

Wie kann man herausfinden, ob Probleme mit der Schilddrüse vorliegen? An wen wende ich mich als Erstes? Und welche Untersuchungen werden gemacht?

Prof. Zieren: Primärer Ansprechpartner ist der Hausarzt. In der Regel führt er die wichtigsten Basisuntersuchungen durch. Dazu gehören eine gezielte Befragung und Untersuchung des Patienten, eine Ultraschalluntersuchung der Schilddrüse und die Bestimmung wichtiger Schilddrüsenwerte im Blut.

Welche Erkrankungen der Schilddrüse sind noch verbreitet und welche Probleme haben die Menschen dann?

Prof. Zieren: Am häufigsten sind Vergrößerungen, die auch als Struma oder Kropf bezeichnet werden, mit und ohne Knotenbildungen sowie Autoimmunerkrankungen wie z. B. die Hashimoto-Thyreoiditis oder die Basedow-Erkrankung. Schilddrüsenkrebs ist vergleichsweise selten. Die resultierenden Symptome der verschiedenen Erkrankungen können sehr unterschiedlich sein: Manchmal haben die Betroffenen nur lokale Beschwerden am Hals – typisch sind etwa ein Enge- oder Kloßgefühl, Schluck- oder Atemprobleme – manchmal leiden die Patienten vor allem unter den Folgen einer Über- oder Unterfunktion.

Es gibt Erkrankungen, da muss die Schilddrüse operiert oder gar entfernt werden – in welchen Fällen?

Prof. Zieren: Im Allgemeinen bei Krebsverdacht oder bei einer Vergrößerung, die dem Patienten Beschwerden oder sonstige Probleme bereitet. Auch bei einer Überfunktion kann eine Operation eine sehr gute Alternative zu einer Radiojodtherapie oder einer medikamentösen Behandlung sein.

Kann man mit jodhaltiger Ernährung Schilddrüsenproblemen vorbeugen?

Prof. Zieren: Jod ist ein unverzichtbarer Baustein von Schilddrüsenhormonen, sodass sich ein chronischer Jodmangel sehr nachteilig auf die Schilddrüse auswirken kann. Jod ist ein Spurenelement und kann nicht vom Körper selbst hergestellt werden. Daher ist eine ausreichende Jodzufuhr durch eine ausgewogene und gesunde Ernährung wichtig. Eine Garantie für eine definitive Vorbeugung gibt es leider nicht.

Haben Menschen mit Schilddrüsen-Erkrankungen ein erhöhtes Risiko für einen schwereren Corona-Verlauf? Gibt es da bereits Erkenntnisse?

Prof. Zieren: Es gibt bislang keine abschließenden Erkenntnisse. Nach derzeitigem Stand ist davon auszugehen, dass Patienten mit gut behandelten Schilddrüsenerkrankungen kein erhöhtes Risiko haben.
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